Katharina Franck – Musik! Musik!

Artist
Katharina Franck
Released
2018
Genre
Singer-Songwriter
  1. Die Masse Tobt SNIPPET Katharina Franck 1:49
  2. Jenseits Der Daten (Die Unsichtbare) SNIPPET Katharina Franck 1:58
  3. Weltenende SNIPPET Katharina Franck 1:25
  4. Gespenster SNIPPET Katharina Franck 2:05
  5. Meilenstein SNIPPET Katharina Franck 1:57
  6. NY Loves Me SNIPPET Katharina Franck 1:26
  7. Sieben Tage Regen SNIPPET Katharina Franck 1:41
  8. Der Himmel Und Hier SNIPPET Katharina Franck 1:33
  9. Salz In Der Suppe Der Sehnsucht SNIPPET Katharina Franck 1:56
  10. Tiefenschärfe SNIPPET Katharina Franck 1:20
  11. Koma Amok SNIPPET Katharina Franck 1:16
  12. Wohin Gehst Du Wenn Du Schläfst SNIPPET Katharina Franck 2:12

Musik! Musik!

Erschienen: 07.September 2018

Es sind Zeilen wie diese, die sofort die Aufmerksamkeit der Zuhörer erregen. „Sprache ohne Worte / Eine schöne Phantasie / Stille ist gleich Tiefe / Und zum Schluss Kakophonie / Taten ohne Folgen / Streben ohne Ziel / Sich aufzulösen, völlig loszulösen / Freiheit, Du verlangst zu viel“, singt Katharina Franck in „Die Masse tobt!“. Ja, sie singt. Auf ihrem ersten Soloalbum „Hunger“ 1997 setzte sie ihre zum ersten Mal deutschsprachige Lyrik überraschend für viele in „gesprochene Popsongs“ um, ein innovatives Konzept, das sie auch für „Zeitlupenkino“ 2002 beibehielt. Ihre nun wieder gesungenen Popsongs setzen die Singer/Songwriter-Idee der CDs „First Take Second Skin“ und „On The Verge Of An Autobiography“ vor zehn Jahren fort. Lieder voller Poesie. Lieder voller Wut. Lieder mit Widerhaken. Wenn die Sinnfragen nicht gleich eine Antwort erfahren können, auch mal mit einem Hauch von Dada. Immer aufwühlend. Immer inspirierend.

Obwohl sie die zwölf Stücke auf „Musik! Musik!“ im Studio zunächst solo mit Stimme zur Gitarre einspielte, lud sie doch noch Musiker ein, um die Songs subtil zu instrumentieren. Die vertraute Rhythmusgruppe mit Markus Runzheimer (Bass) und Tim Lorenz (Schlagzeug) greift die dynamischen Grooves der Gitarre auf, die spezifischen Klänge von Wurlitzer-E-Piano (Fred Sauer steuert zudem Piano, Orgel und analoge Synthesizer bei), Christoph Bernewitz’ vielschichtige Gitarre, das Glockenspiel und Vibraphon von Jan-Frederick Behrendt und Peter Hinderthür setzen Akzente und schaffen Atmosphäre. Antonia Hausmanns Posaune nimmt die Stimmung in „Gespenster“ auf, das sich in einem langen Spannungsbogen in einen symphonischen Ausbruch purer Energie steigert. „Die Welt ist so hungrig, je satter sie wird.“ Wie Geister in der Tiefe des Raumes stimmt ein Gespensterchor mit ein. Der von Peter Hinderthür gespielte Flügelhorn-Chorus in der Ballade „Wohin gehst Du, wenn Du schläfst“ gibt dem Albumfinale ein feine melancholische Note. Die im Team mit Co-Produzent Clemens Matznick intuitiv entstandenen Sounddesigns illustrieren auf faszinierende Weise die suggestiven Songtitel wie „Weltenende“, „Sieben Tage Regen“, „Salz in der Suppe der Sehnsucht“ oder „Koma Amok“.

Katharina Franck setzt mit „Musik! Musik!“, ihrem 17. Album, ein deutliches Zeichen wider den Mainstream. Ohnehin sucht die gebürtige, in Portugal und Brasilien aufgewachsene Düsseldorferin längst nach anderen Wegen, ihre genreübergreifenden Ideen zu kommunizieren. Ständig werden unterschiedliche Schubladen für das geöffnet, was sie anzubieten hat. Mal in die Hitparade gehievt, mal in eine Nische gedrängt – dabei stammten das englisch gesungene „Blueprint“, aber eben auch der deutschsprachige gesprochene Popsong „Andy Warhols Mona Lisa“ aus der Feder von ein und derselben Person. Und ihr erstes von vier Hörspielproduktionen bisher, das von der Akademie der Künste in Frankfurt ausgezeichnete Hörspiel „Bei unserer Lebensweise ist es sehr angenehm, lange im Voraus zu einer Party eingeladen zu werden“ (1999), ist letztendlich eine Konsequenz aus „A Waltz For Jane“, Francks Songhommage an die amerikanische Schriftstellerin Jane Bowles, welche auf dem vierten Rainbirds-Album von 1993 „In A Different Light“ zu hören ist.

Zugegeben: es ist nicht einfach, die Homogenität in der Diversität zu erkennen. Die zwölf Songs auf „Musik! Musik!“ verdichten, was Katharina Franck seit 1987 aufgenommen hat. Man entdeckt Features, die sich mit den Rainbirds, dem Trio “Stein“ mit Ulrike Haage und FM Einheit, den gesprochenen Popsongs, Reinhardt Repkes‘ Club der toten Dichter, ja sogar mit ihrer Kooperation mit dem brasilianischen Duo Rosanna & Zélia in Verbindung bringen lassen. Assoziationen zu Theatersong, Kunstlied und Chansons bleiben nicht aus. „Aber damit hat es nichts zu tun“, entgegnet die Sängerin bei solchen Assoziationen und vermutet, dass diese daher rühren, dass sie der Sprache so viel Bedeutung beimisst. „So banal es klingen mag, hat es wohl auch damit zu tun, dass ich eine sehr deutliche Aussprache habe, tonal alles präzise sitzt und ich deshalb so klar singe, weil ich will, dass die Leute meine Texte verstehen.“ Katharina Franck bevorzugt schlicht den Begriff der Singer/Songwriterin. Obwohl gerade die Amerikaner die Texte „so vor sich hinschlunzen, was da sozusagen zum guten Ton gehört“. Zu einem Bob Dylan wird sie in diesem Leben wohl nicht mehr. „Aber in diese Ecke ließe ich mich lieber stellen als in die mit Jacques Brel“, lacht sie.

„Musik! Musik!“ hat sich dabei als Schlachtruf aus dem Text des Openers „Die Masse tobt!“ herausgeschält. Hier lehnt sie sich gegen die Aggressionen auf, die die sogenannten „Abgehängten“ gegen Schwächere richten. Weil die ihren Frust offenbar nicht anders zu kanalisieren wissen. „Einmal um die Welt und dann Was dann? / Kommt die Frage nach dem Sinn Wohin? / Wendet sich mein ödes Leben / Hab mich selber aufgegeben / Und nun weiß ich nicht wohin / Mit all der aufgestauten Wut.“ Wohl dem, der etwas hat, das er liebt und was ihn mit Freude erfüllt. Für Katharina Franck ist das natürlich ihre Musik. Wer immer wieder – zumal in Krisenzeiten – die Frage stellt, wie privat darf Popmusik und wie politisch muss sie sein, bekommt von Katharina Franck die Antwort: „Ich habe immer schon den Zwischenweg gewählt. Natürlich sind meine Texte privat oder handeln auch private Themen ab, aber ich gucke dabei immer, was hat das mit der Welt zu tun, in der ich lebe.“

– von Detlef Kinsler, im August 2018

Die Songtexte können hier heruntergeladen werden.