Am Mittwoch, dem 22. Februar 2017 wäre die amerikanische Schriftstellerin Jane Bowles Hundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass sendet der Deutschlandfunk am Vorabend das Hörspiel “Bei unserer Lebensweise ist es sehr angenehm, lange im Voraus zu einer Party eingeladen zu werden”, für das ich in 1999 das Manuskript schrieb. Es basiert auf einer Sammlung Briefen, die Jane Bowles im Laufe ihres Lebens an ihre Freunde und ihren Mann Paul schrieb. Sie sind ebenso große Literatur wie ihr vergleichsweise schmales Werk. Zu ihren Lebzeiten wurde nur ein Roman veröffentlicht, „Zwei sehr ernsthafte Damen“. Das Theaterstück „In The Summerhouse“ wurde am Broadway aufgeführt und nach drei Wochen abgesetzt. Und ein paar Kurzgeschichten erschienen im Literaturmagazin Cross Section und in den Zeitschriften Harper’s Bazaar, Vogue und Mademoiselle.
Das kleine Mädchen Jane galt als Wildfang, der Teenager wurde damals wohl als „flatterhaft“ beschrieben. Als junge Frau nennt sie sich selber „Crippie, the Kike Dyke“, was so viel heißt wie „Krüppelchen, die jüdische Lesbe“. (Anmerkung: Das Wort „kike“ ist ein abwertendes Wort für Juden und wird hier nur wiedergegeben, weil Jane Bowles, die aus einer nicht gläubigen jüdischen Familie stammte, sich selber so bezeichnete. Sie hatte außerdem ein steifes Knie und war lesbisch). In einem schien sie allerdings tief entschlossen. Nach einer Begegnung mit Louis Ferdinand Céline in 1934 deklariert sie: „Ich werde Schriftstellerin“. Ein erster Roman „Le Phaéton Hypocrite“ ist verschollen. Veröffentlicht wird in 1943 ihre bekannteste Arbeit, der Roman „Zwei sehr ernsthafte Damen“, den sie auf Reisen durch Mittelamerika, und zwischen Paris, Mexiko und New York verfasst. Er wird von der Kritik harsch verrissen, wovon sich die 24-jährige Jane Bowles nicht mehr erholt. Oder stand der Verlauf ihres Lebens sowieso schon geschrieben?
Eine der beiden sehr ernsthaften Damen in Janes Roman ist Mrs. Copperfield, eine von hundert Ängsten paralysierte weiße Frau um die 40 aus gutem Hause, die sich in die emotionale Abhängigkeit zu einem Straßenkind begibt. Sie trennt sich in Panama von ihrem Mann, um mit der jungen Prostituierten Pacifica zusammenzubleiben. In einer Szene begegnet sie der anderen ernsthaften Dame wieder, Ms. Goering, und liest ihr den Brief ihres Mannes vor, den er ihr geschrieben hatte, nachdem ihm klargeworden war, dass er seine Reisen ohne seine Frau fortsetzen wird. Am liebsten würde ich hier den gesamten Brief zitieren, aber ich nehme nur einen kleinen Ausschnitt und empfehle Euch die Lektüre dieses unglaublichen Buches und aller Kurzgeschichten, die ihr finden könnt.
„Den ersten Schmerz trägt man in seinem Herzen, weil alle Zärtlichkeit von dort ausstrahlt. Man muss ihn sein Leben lang mit sich tragen, sollte aber nicht um ihn kreisen. Man darf nicht nach Zeichen suchen, die dazu dienen, einem die Gegenwart zu vernebeln. Oft wird man die Illusion haben, die Zeichen seien grundverschieden und hätten nichts miteinander zu tun. Aber sie bleiben immer dieselben. Wenn Dir nur an einem erträglichen Leben liegt, betrifft Dich dieser Brief vielleicht nicht. Herr im Himmel, ein Schiff, das ausläuft, ist immer noch ein wundervoller Anblick. J.C.“
Abschließend noch ein paar Hinweise, wie ihr Jane Bowles’ 100. Geburtstag gebührend feiern könnt:
Eine kurze Biografie zu Jane Bowles findet ihr hier.
Und hier habe ich den sehr lesenswerten Artikel „The Madness Of Queen Jane“ von Negar Azimi verlinkt, der im Juni 2014 im New Yorker veröffentlicht wurde.
Hier geht es zum eingangs erwähnten Programmtipp des Deutschlandfunks. Oben rechts findet ihr den Knopf zum Livestream. Gesendet wird am Dienstag, 21.02.2017 um 20:10 Uhr.
Hier habe ich den Text „Diebin die ich bin“ veröffentlicht, der aus einem weiteren Manuskript stammt, das ich geschrieben habe. Das literarische Feature „Ich war fischen“ über das Leben der Jane Bowles entlang ihres einzigen Romans „Zwei sehr ernsthafte Damen“, wurde 2005 für den SWR produziert.
Und auf Soundcloud könnt ihr für eine Weile die Live- und die Studiofassung meines „A Waltz For Jane“ hören. Die Aufnahme aus dem Studio, an der auch die viel zu früh verstorbenen MusikerInnen David Daoud Coleman (Cello, Darbouka) und Lindsay Cooper (Fagott) mitgewirkt haben, erschien 1993 auf dem Album In A Different Light. Die Live-Version erschien 1999 auf dem Album rainbirds3000.live in der Besetzung mit Tim Lorenz (Schlagzeug) und Ulrike Haage (Keyboards). Beide Alben sind leider vergriffen.
مكتوب [makˈtuːb]
Während ich all dies zusammentrage, höre ich via YouTube Oum Kalthoum und ihr Orchester. Es gibt eine Aufnahme, die ich schon sehr lange suche, da singt sie dieses Wort „mektub“ (es steht geschrieben) über viele Takte hinweg so, dass dem nichts hinzuzufügen ist.
Herzliche Grüße,
KF