Trügerische Ruhe – Woman With A Golden Eye (1991) & On The Balcony (1986)

#andwhataboutthelyrics – Folge 4

Seit geraumer Zeit versuche ich, mir eine Soloversion von „Sea Of Time“ zu erspielen. Der Song wird immer wieder vom Publikum gewünscht, und jedes Mal rede ich mich raus und sage, nein, das ist ein Bandsong, der funktioniert so ganz alleine gespielt nicht, da fehlt was, und so weiter. Doch ob ein Song, in welcher Besetzung auch immer, funktioniert oder auch nicht, hängt auch von der Performance ab, und ob die Sängerin in der Lage ist, das Publikum mitzunehmen, während sie zum Kern des Liedes vordringt und sich dort davon erfassen und erfüllen lässt.

Neulich auf der Terrasse ist mir das nicht gelungen. Ein Publikum gab es nicht und den Katzen war zu heiß. Aber mit einem Mal hatte ich andere Akkorde in den Fingern und ich sang „On The Balcony“, eines meiner Kinderlieder. Der Song handelt von jemandem, der im Kino vor der wirklichen Welt und seiner eigenen Geschichte Schutz sucht. Der, wenn der Vorhang aufgeht, aus vielen verschiedenen Perspektiven am Leben teilnimmt, ohne sich zu verlieren.

Dieser Song könnte eine ziemlich akkurate Beschreibung meines Lebens als Teenager und meiner ersten Jahre in Berlin sein. Aber den Moment, wo der Protagonist den Schlüssel wegwirft und doch verloren geht, habe ich immer wieder ausgelassen und stattdessen versucht, meine Bilder und Gedanken in gut klingende Worte zu fassen, damit ich sie singen kann.

Der Text zu „Woman With A Golden Eye“ ist vermutlich 1989 oder 1990 entstanden. Das waren aufgewühlte Zeiten. Aber ich habe mich nicht ins Kino verdrückt, sondern in sehr viel Arbeit gestürzt, was ja eine gesellschaftlich anerkannte Form des Eskapismus ist. Von meiner neuen Partnerin Ulrike Haage kamen viele Musikvorlagen, darunter auch die für diesen Song, der auf dem Album „Rainbirds Two Faces“ 1991 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Der Text strotzt von Zitaten und beschriebenen Gefühlen, wie ich sie beim Lesen von Büchern und beim Schauen von Filmen gehabt haben mag.

Stellt Euch die Farben und das Licht von dem Film „Reflection in a golden eye“ von John Huston vor, eine vorlagengetreue Verfilmung des gleichnamigen Romans von Carson McCullers. Truman Capotes Romane „Other Voices, Other Rooms“ und „The Gras Harp“ haben Cameoauftritte, und der Film “Sauve qui peut – la vie” von Jean Luc Godard, der mich in den 1980er Jahren fasziniert hat und eine der Inspirationsquellen für die Schnitttechnik bei meiner Textarbeit zum „Zeitlupenkino“ war, taucht auch auf.

Here’s a movie
Slowly moving
There is music in the distance
I hear nothing but the past
Like a fist I’m slowly closing
As I dance and fall like rain
It is coming down in black and white
Coming down as something else
Something that nobody claims

Da zieht ein Film langsam an mir vorbei
Da ist Musik in der Ferne
Mich holt die Vergangenheit ein
Ich verschließe mich ihr wie eine Faust
Ich tanze und löse mich auf
Alles zerfällt in Schwarz und Weiß
Wird zu etwas anderem
Was niemandem gehört

Woman with a golden eye
Can see further than the sky
Woman with a golden eye
Can see further than the sky

Like a love that never ended
The fundamental mood of Why
I hear the grass and trees are-a-singing
Voices in another room
As I dance and rise like heaven
Return into a sunken dream
The center of a hurricane
Is free of guilt and safe from pain

Wie eine Liebe nicht vorbei war
Wie dennoch alles in Frage gestellt wurde
Ich das Gras und die Bäume singen hörte
Und Stimmen in einem anderen Raum
Wie ich tanze und abhebe und
In einen versunkenen Traum zurückkehre
Dem Inneren des Orkans
In dem keine Schuld und kein Schmerz ist

Woman with a golden eye
Can see further than the sky
Woman with a golden eye
Can see further than the sky
The center of a hurricane
Is free of guilt and safe from pain

Vielleicht ist die Frau mit dem goldenen Auge, die sogar über den Himmel hinaus sehen kann, das Innere des Sturms der Bilder und Gedanken, die wir erst noch zulassen und verarbeiten müssen, bevor wir wirklich Neues erleben können. Das Auge des Sturms, in dem man keine Schuld und keinen Schmerz spürt. Diese trügerische Ruhe.

Hört hier die Originalversion von 1991
Hört hier das Remake von 2014

© Katharina Franck, 16.05.2017 – für Christoph Endres, Elke Holzmann und für mich

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