Noch ein Text aus der Reihe “Meine Lieder sind klüger als ich”
1.
Ich war fischen!
Glauben Sie bitte nicht, dass mir das Spaß macht. Ich habe es aufgegeben Erlösung von der Welt in den leuchtenden Bildern polnischer Weizenfelder zu suchen, in dem satten Flattern aufstiebender Moorkraniche zu hören, oder im harzigen Duft frisch gespalteten Holzes zu schmecken. Aber ich klammere mich an diese Vorstellungen wie eine Ertrinkende, weil ich mich danach sehne wenigstens einmal dieselbe Sprache zu sprechen wie meine Mitreisenden. In unseren Körpern und in unserem Geist sind wir ständig vom einem zum anderen Umsteigebahnhof unterwegs. Ein Nomade lebt nach strengeren Regeln als jeder Stubenhocker, und er wird auch nicht steif und feist dabei. Es hat 40 Jahre gedauert bis ich begriffen habe, dass das einzige Dach über meinem Kopf mein Körper ist. Ich war unversehrt, und mir war alles egal. Aber jetzt sind die Schatten die ich werfe meine Schindeln, und die Fäden die ich ziehe meine Wurzeln. Ich darf die Spuren die ich hinterlasse nicht verwischen, wenn mir daran gelegen ist, wieder aufzubrechen. Freiheit ist eben nicht gekappte Bande, geschütteltes Brot. Freiheit ist, zu fühlen wo man herkommt, zu jeder Zeit, und zu wissen wohin man gehen will, wenn es soweit ist. Wohin man kommt, ist eine andere Geschichte. Es ist die Geschichte. Es ist die Reise.
Natürlich sehen wir die Welt mit den Augen die uns gegeben sind. Natürlich erfassen wir sie nach unseren Möglichkeiten. An den Mauern des Flakturms, von wo aus im 2. Weltkrieg die Stadt zu verteidigen war, klettern junge Frauen empor und trainieren ihre Muskeln bis in den kleinen Finger. Ein Mann steht am Fuße des Turmes und lässt das Seil locker durch seine Hände gleiten. Um seine Hüften sitzt es stramm.
Von oben, von der Aussichtsplattform, erkenne ich diese Stadt nur durch eine Vergangenheit, die nicht meine ist.
Man nenne es Fernsehen
Man nenne es Kino
Man nenne es Literatur in den Zeiten der technischen Reproduzierbarkeit
Ich nenne es Fantasie und sage mir
Predige nicht
Wenn die Welt Dich nur bis auf Armeslänge an sich herankommen lässt,
dann ist es so.
Und wenn Du gegen Windmühlenflügel kämpfen musst, ebenso.
Es haben alle schon alles gehört und gelesen, einzig die Perspektive stellt noch eine Herausforderung dar:
Wir berichten heute live vom Inneren des Erdkerns
Wir berichten heute live aus einem schwarzen Loch
Unser Reporter berichtet heute live zwischen zwei enormen Brüsten hervor
Mutter Erde
Ahh
Schnell, zurück an die Flak!
Von hier oben aus betrachtet, erkenne ich nichts mehr.
Die vielen Rauchzeichen vernebeln den Blick.
Die Zeitung von morgen sagte mir gestern was heute vorbei ist
Es ist einfach zu erfahren voran man sich erinnern soll, und
Deshalb begibt man sich auf die Suche
Deshalb gibt man sich
Und nimmt sich
Und will nicht
Sagt ja
Und nein
Komme zu mir
Aus einem tiefen Schlaf
Habe Durst
Sind wir da?
Habe Hunger
König Zucker
Komme vom Wege ab
Da?
Hab mich verlaufen
Da?
König Liebe
König Liebe
Hallo Mama?
Ich habe einen Fisch gefangen, und ihn wieder ins Meer geworfen!
Ja, ich habe einen Fisch gefangen!
Ja
Ich war fischen!
Alles Gute,
Frankie
© Katharina Franck, 2./3.8.2004 (alle Rechte vorbehalten. all rights reserved)
2.
QuantasVidas
Seit über einem halben Jahr quäle ich mit dieser Geschichte herum
Jedes Wort mit Spitzmeißeln in den Marmor geschlagen
Als wollte ich das Sternenbild des Südens neu ordnen
Des Nordens
Kleiner Löwe
Großer Löwe
Im Osten und Westen
Weil Du es kannst
Und weil es notwendig ist
Um Platz zu schaffen und andere Ansätze zu finden
Um niemals die Hoffnung auf Erlösung aufzugeben
ERLÖSUNG
Von der permanenten Notwendigkeit seine Existenz als
Lebendiges
Wahrhaftiges
Handelndes und sich wandelndes
Wesen rechtfertigen zu müssen
– Ich bin ein Frau, ach bitte, entschuldigen Sie mich.-
Jemand muss den Anfang machen
Und wie es scheint werde ich es sein
Auch wenn sich zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand für das interessieren mag
Was ich bereits in Erfahrung gebracht habe.
Wenn sich die Splitter und Kiesel aber zu keiner Strasse legen lassen
Dann ist es so
Und es gibt nichts was ich dagegen tun kann
Tibetanische Mönche legen im böigen Wind der spanischen Küste
Ein vielfarbiges Mandala von drei Metern Durchmesser
Und fegen es dann weg
Ich sitze am Hafen von Quantasvidas
Kurz davor eine Reise anzutreten
Die ich schon immer anzutreten gedachte
Und vor der ich mich mein Leben lang fürchtete
Ich werde reisen
Splitter und Kiesel
Hölzchen und Stöckchen
Blüten und Blätter
Tränentrassen soweit das Auge reicht
Links und rechts davon die berühmten Butterblumen
– Ich bin eine Frau, ach bitte, entschuldigen Sie mich.-
Und alles was so anfällt an Abfall
Aber
Was ich wegfege
Wird mein Leben sein
© Katharina Franck, 21.7.2004 (alle Rechte vorbehalten. all rights reserved)
3.
Diebin die ich bin
(noch ein Lied für Jane Bowles)
Es gibt einen weiteren Weg
Siege, die ich errungen habe
Ein zweites Herz
Einen stillen Weg aus Träumen über laute Plätze
Entlang tiefer Schluchten
Über Brücken
Die ich baue
Mit einem einzigen, stimmigen Satz
Baumele ich
Diebin
Die ich bin
Kopfüber von der Balustrade
Kopfüber aus der Welt
Mit einem zweiten wandele ich unter hängenden Gärten
Nasche von Früchten
Kaue Pilze
Esse vom Baum des Lebens und der Erkenntnis
Lösche meinen Durst mit Morgentau
Mit einem dritten überspringe ich Zeiten
Vierundzwanzig Stunden am helllichten Tag
Überwinde ich Weiten
Wüsten
Ohne Wasser
Ohne Kompass
Ohne Brot
Nichts
Außer Worten…, nein
Warten!
Ich meinte: Warten
Mit einem vierten verkündige ich
Das Ende vom Lied
Das Ende vom Lied
Ohne neuen Anfang
No Da capo
Ich mache Schluß
Gesang:
Don`t mess with my Angel
With my broken wings
For my broken heart
It sings
It sings
I am free
In my cage
Let me be
Und stehe halb versteckt im Schatten der Markise auf dem Markt
Halb verstrahle ich mein eigenes Licht in dunklen Gassen
Halb Fliegengewicht bin ich
Halb Monster
Und ich
Diebin
Die ich bin
Bin da draußen
Jenseits von allem was jemals gewesen
Heiß ist es gewesen
Und trocken
Und dann wieder kalt und feucht
Und klar und verschwommen
War alles da
Wo jetzt nichts ist
Ich nicht die bin
Diebin
Dich ich war
Herzbubedamekönigass
Und ich werde nichts mehr sein
Am frühen Morgen sehe ich die Schiffe ablegen
Am Nachmittag steigen Drachen auf
Am Abend spielen junge Hunde am Strand mit den zurückweichenden Wellen
Nachts ertrinken Liebespaare in der Flut
Und ich
Diebin
Die ich bin
Sehe alles von außen
Außerhalb
Halb Ohrtaub und Staub auf den Lidern
Halb Mundstumm und Spinnweben
In jedem meiner Winkel
Klimmzüge
Hinweg über die Balustrade
Hinaus aus der Welt
Dort bin ich
Diebin
Die ich bin
Ganz da
Hinter Glas
Ganz da
Höre nichts
Ganz da
Kein Lachen
Ganz da
Kein Rufen
Keine erstickten Schreie
Es singt kein Mensch
Es heult kein Tier
Es ist das Ende vom Lied
Das Ende vom Lied
Weil ich es so will
Gesang:
Don`t mess with my Angel
With my broken wings
For my broken heart
It sings
It sings
I am free
In my cage
Let me be
Es gibt einen weiteren Weg
Siege, die ich errungen habe
Ein zweites Herz
Einen stillen Weg aus Träumen über laute Plätze
Entlang tiefer Schluchten
Über Brücken
Die ich baue
Mit einem einzigen, stimmigen Satz
Baumele ich
Diebin
Die ich bin
Kopfüber von der Balustrade
Kopfüber aus der Welt
© Katharina Franck, 20.8.2004 (alle Rechte vorbehalten. all rights reserved)
4.
Aufbruch
Ich werde diese Reise antreten!
Ich werde diesen Roman schreiben!
Ich werde nichts vergessen
Ich werde auch nichts mitnehmen und
Aufheben
Vielleicht
War
Es
Auch
Nur
Ein
Experiment
Das mir teuer zu stehen kam
Sagenumwoben
Über Stock und Stein
Tränenüberströmt durch den Regen, jetzt
Mythen, wie Misteln
Für den Druiden
Und dann fällt der vom Baum und
Vom Glauben ab – also ehrlich!
Ich bin nicht knauserig
Aber
Wenn man mich doch wegwischen kann
Mit einer einzigen flüchtigen Bewegung
Wenn meine Farben verblassen
Die Konturen verlaufen
Wenn meine Blumen im ewigen Regen ersaufen
Weiß ich
Und fühle ich
Dass es nicht auf mich ankommt
Muß ich deswegen aber
Zum Beispiel als Malerin
Hinter die Staffelei plumpsen?
Dieses Butterblumengetue, immer
-Ich bin eine Frau, ach bitte entschuldigen Sie mich –
Ich werde diesen Roman schreiben, und dann
Beginnt das Ende der Reise
Die Suche ist abgeschlossen und es wird nur noch gefunden
Ich ist keine andere
Und das handelnde
Sich wandelnde
Selbstverständlich da seiende wo es jetzt ist – Wesen
Hat keine Bedürfnisse mehr
Keine Wünsche, bitte
Erfüllen Sie mich nicht!
Vouloir sans désire, voilá le secret du pouvoir
Danke!
© Katharina Franck, 25.07.2004 (alle Rechte vorbehalten. all rights reserved)
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